»Veränderungen finden einfach nur
statt. Sie ereignen sich, weil sie es können. Es gibt keinen Vorlauf und keinen
Nachlauf. Es gibt keine Übergangsphasen. Es gibt keine Ankündigung. Wer aktiv
teilhaben will, kann sie nur antizipieren, geistig vorwegnehmen. Dennoch wacht
er eines Tages auf – und die Welt ist eine andere. Wenn er liegen bleibt, lebt
er sein Leben zu Ende. Wenn er aufsteht und das Neue annimmt, kann er sein
Leben gestalten.«
Eines Tages stellte der Martin Luther fest, daß die Ordnung,
das System aus den Fugen geraten war: durch exzessiven Ablaß- und
Reliquienhandel. Obwohl es ja eine Nachfrage danach gab und obwohl die Einnahmen
seiner (!) Kirche damit gut waren, so stimmte da etwas nicht mehr. Das System
war in unkontrollierte Schwingungen geraten. Das wollte er korrigieren. Doch
das System war schon so instabil, daß andere Kräfte die Gelegenheit hatten,
etwas eigenes dagegenzusetzen. All das wollte der Luther gar nicht, aber
dennoch hat er es ausgelöst.
Hätte der Luther schon etwas von Unschärferelation gehört,
so hätte es ihn nicht verwundert. Systeme sind nun einmal keine mechanistisch
eindimensionalen Gebilde, sie sind auch keine geschlossenen Kreisläufe mit
genau vorhersehbaren Zuständen und Zustandsänderungen. Sie sind ein in sich
gefaltetes Netzwerk, dessen Faltungen sich ständig verändern. Sie funktionieren
in Grenzwerten, die aber nur in Bandbreiten vorliegen. Die Bandbreiten können
so schmal sein wie sie wollen, es bleibt eine Unschärfe. Systeme mutieren.
Einfach so. Weil sie es können.
Die Evolution ist so ein System. Darin ist nichts
zwangsläufig. Darin ist nichts mechanistisch. Äußere (Umwelt) und innere (Arten
bedrängen andere Arten) Kräfte sind da wirksam. Aber diese Kräfte sind nicht
der eigentliche Motor. Mutationen haben als Ergebnis Verbesserungen. Sie
erzeugen aus sich heraus einen ständigen inneren Verbesserungsdruck. Aber prinzipiell
geschehen Mutationen, weil sie es können. Es finden fortwährend „Experimente“
statt, von denen keineswegs sicher ist, daß sie auch lohnen. Ein Graus für alle
„Effizienzgläubigen“. Aber Ideen, die man nicht hatte, kann man noch nicht
einmal verwerfen. Wer religiös ist, der mag darin Gott erkennen, wie er mit
seiner Schöpfung spielerisch umgeht. Darf er ja, es ist ja seine. Wer das
religiös sehen mag, der sollte aber auch erkennen, daß Gott nicht am Anfang
einmal am Werk war. Der mag erkennen, daß er noch nicht fertig ist und auch
nicht fertig werden wird.
Gattungen und Arten definieren sich durch ihre Strategien.
Diese selbst lösen wiederum Experimente und Verbesserungen aus. So kann es zum
Beispiel sein, daß kurze Lebenszeiten und damit schnelle Mutations-/Generationsfolgen
bewirken, daß auf eine Krise schnell reagiert werden kann. Schnell ist manchmal
also ganz gut und Tradition ist halt nicht aus sich heraus ein sinnvoller Wert.
Gattungen und Arten bestehen insgesamt so lange, wie ihre Strategie erfolgreich
ist. Danach werden sie abgelöst. Diese „Ablösung“ ist dann die noch mögliche
Form des Weiterbestehens. Ach ja! Erfolgreich heißt: Mehr werden, mehr für
jeden schaffen.
Nebensatz: Es gibt sie ja, die Raubtiere. Aber sie sind nur
eine Randerscheinung. Sie bedrängen andere Arten, aber wenn sie eine Art soweit
bedrängen, daß die untergeht, gehen sie gleich mit unter. Sie sind nicht die
hellsten Köpfe. Sie sind oft Hungerleider, auch wenn einige so etwas wie
„einteilende Planwirtschaft“ mit ihrer Beute betreiben. Sie haben eigentlich
nicht einen Tag in ihrem Leben satt zu essen. Ihr Aufwand für das Beutemachen
ist enorm. Das ist weder ressourcenschonend noch effizient. Sie stehen nicht an
irgendeiner Spitze der Entwicklung. Sie sind diejenigen, die die Evolution halt
mit durchschleppt. Sie haben halt nichts anderes gelernt. Sie sollen auch
Randerscheinung bleiben. Alles auffressen kann man eben nur einmal. Und das
wäre der Fall, wenn in der Gedankenwelt einiger Leute der sogenannte
Wohlfahrtsverlust auf Null schrumpfen würde. Alles wäre exakt allokiert. Und
damit weg.
Ergänzung zum Nebensatz: Ich will Raubtiere werder
verteufeln noch vergöttern. Auch nicht unsere aktuellen Investmenträuber, die
„Die Ritter vom Orden der 4. (Es war doch die vierte?) Funktion des Geldes“.
Sie sollten nur nach ihrem wirklichen Stellenwert eingeordnet werden.
Vielleicht sollten sie in einem Reservat „behütet“ werden. Ihre Spielgewinne
(mit Spielgeld, nicht mit echten Währungen) könnten sie ja dann tauschen, falls
sie jemanden dafür finden.
Wir, die Menschen – und damit es klar ist: Es gibt nur eine
Art Mensch auf diesem Planeten –, gehören zur Gattung der Säugetiere. Deren
Erfolgsstrategie ist das immer weiter differenzierte soziale Verhalten. Erst
diese „intrinsische“ Differenzierung hat es ermöglicht, daß sich arbeitsteilige
Gesellschaften entwickeln konnten, wirtschaftende Gesellschaften. Jedes Subjekt
darin ist ein wirtschaftendes Subjekt. Und ich bin der festen Überzeugung, daß
dies bereits in der nomadisierenden Jäger- und Sammlergesellschaft der Fall
war, spätestens.
Ein wesentliches Kennzeichen der Erfolgsstrategie der
Gattung Säugetiere ist auch, daß es keine Stufen gibt, die nur der
Nutzenmehrung einer „höchsten Stufe“ dienen. Wie gesagt: Systeme sind
Netzwerke. Jede Art, jede Nische in der Gattung hat dieselbe Strategie.
Erreicht sie innerhalb ihrer Art und ihrer Nische nicht ihren eigenen Nutzen,
dann war sie erfolglos. Sie verschwindet und entzieht damit der ganzen Gattung
ein Stück weit den Boden unter den Füßen. Wer also Arten und Nischen ausmerzt,
der befördert nicht seinen eigenen Nutzen. Der kastriert sich selbst.
Zur Strategie gehört aber auch die ständige Verbesserung,
der ständige intrinsische Druck zur Leistungssteigerung. Allerdings ist es ein
Druck, der dem Kriterium der „ständigen leichten Überforderung“ genügt. Aus der
Motivationslehre doch bekannt, oder? Nur diese Art Druck gewährleistet den
Erfolg. Und nur der Erfolg spornt zu noch mehr Leistung an. Das ist es, was
Wachstum ausmacht. Damit ist Wachstum auch nicht begrenzt. Nur das Schlagen auf
immer denselben Stein zerstört diesen. Nicht das Suchen nach neuen Steinen und
das Bearbeiten mit immer besseren Werkzeugen.
Um auch dies klar zu formulieren: Auch das Streben nach
Autarkie, nach der kleinteiligen Selbstbeschränkung – am besten noch
einhergehend mit dem Verweis auf „die Umwelt“ –, hat mit der Efolgsstrategie
der Säugetiere nicht das geringste zu tun. Nicht umsonst hat es niemals etwas
anderes gegeben, als den Handel unter den Menschen über die Welt verteilt. Die
jetzigen Menschen haben seit ihrem Auszug aus Afrika eigentlich niemals den
Kontakt untereinander wirklich verloren. Sie waren von Anfang an globalisiert.
Deswegen hatten sie sich schließlich aufgemacht.
Und nun? Weder „völkische Autarkie“ (auch nicht die grüne)
mit Regionalbezug und Wachstumsbremse, weder mechanistisches Denken aus
„voraufklärerischer“ Zeit, weder eindimesionale Wertschöpfungsketten mit
Effizienzcredo sektirerischer Libertärer des 17. Jahrhunderts noch
allumfassende sozialistische Gleichverteilung mit beschränkter
Leistungsfähigkeit können eine
artgerechte Wirtschaftsform der Säugetiere Mensch hinreichend beschreiben. Aber
was dann? Nun, ich bin da nicht so pessimistisch.
Aber zuvor noch eine kleine Bemerkung: Freiheit ist einwesentliches
Element der Evolution. Nämlich die Freiheit, es einfach zu versuchen.
Allerdings ist das vornehmste Merkmal der Freiheit in der menschlichen
Gesellschaft, sich selbst disziplinieren zu dürfen. Muß man nicht. Aber dann
besorgen das auch ganz schnell andere.
____________
Nach meinen Vorstellungen sind die folgenden Merkmale
wesentlich für eine artgerechte Wirtschaftsform. Nota bene: Diese Merkmale sind
nicht gewichtet. Sie haben keine Rangfolge. Wer also meint, man könne mit
Nummer Eins anfangen und dann vielleicht …, der irrt gewaltig. Es sind die
Merkmale eines systemischen Netzwerkes. Und das gibt es ganz oder gar nicht.
Hatte ich das nicht erwähnt? Mea culpa. Und wenn einige Begriffe bekannt
vorkommen sollten: Es kommt auf das Verständnis an, das man davon hat! Man wird
doch wohl noch sagen dürfen, wie man die Sache selbst sieht!
Wohlergehen – Das
Wohlergehen jedes Einzelnen und jeder einzelnen Gruppe ist das eigentliche Ziel
des Wirtschaftens nach evolutionären Maßstäben. Wohlergehen heißt aber nicht
nur Wohlstand im Sinne von noch einem Auto oder anderen Gütern, es heißt vor
allem auch Entfaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen und jede Gruppe. Wenn
der Kapitalismus oder der Kommunismus, die sich in Gestalt neofeudaler
Herrschaftsstrukuren doch verblüffend ähnlich sind, wenn entweder der
Kapitalismus die allumfassende Verarmung und Verblödung (sogenannter
Wettbewerbsvorteil zum Nutzen der „Spitze der Wertschöpfungskette“) zur ersten
Regel erhebt oder der Kommunismus bleiernde Gleichmacherei auf niedrigster
Stufe (Befriedigung sogenannter Grundbedürfnisse) auf Punkt Eins der
Tagesordnung hat, so ist es evolutionäre Pflicht, Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen,
sonst droht Inzucht.
Entfaltung durch verfügbares Einkommen genauso wie durch
horizontale und vertikale „Ausbreitungsmöglichkeiten“: Damit ist nicht einfach
die sogenannte Aufstiegschance gemeint. Es geht nicht nur um die Chance,
genauso zu werden wie ein anderer, es geht darum, daß Entfaltung, auch mit
experimentellem Charakter, tatsächlich stattfindet. Das kann man durch Quoten
erreichen, sollte man aber nicht. Viel wichtiger ist, Grenzen abzureißen. Und
das gelingt in sozialen Systemen immer noch am besten durch Verachtung und
Mißachtung, also durch „Herunterholen vom hohen Roß“ und durch schlichtes
Ignorieren von angeblich unüberwindbaren Hindernissen. Wenn also eine soziale
Gruppe durch „Volksentscheid“ meint, Bildungsmöglichkeiten anderer verhindern
zu müssen (Hamburg), so sollte man das Volk auch einmal ignorieren. Das darf
man ruhig machen.
Vertikale Ausbreitungsmöglichkeiten? Nun, auch innerhalb
einer „Schicht“, auf gleicher Ebene muß Beweglichkeit herrschen. Und da ist der
Leistungsbezug ausgesprochen sinnvoll. Nichts lähmt mehr als schlechteter Lohn
für gleiche Leistung oder gar mehr Leistung, zur Zeit durch Unterscheidung von
Gelernten und Ungelernten zementiert; eine mittelalterliche Erscheinung, nannte
man einmal Zünfte. Entscheidend ist aber allein das Leistungskriterium, sowohl
für jeden einzelnen als auch für das Ergebnis aller.
Weiterhin ist wesentlicher Bestandteil des Wohlergehens die
Daseinsfreude; Gestaltungsmöglichkeiten durch verfügbares Einkommen und
Ausbreitungsmöglichkeiten sind eine Sache. Erfüllt das den einzelnen Menschen
nicht – und das tut es nicht –, hilft der Grundsatz „Produkte, die Freude
machen, sind gute Produkte“. Damit will ich vor allem klarstellen, daß es nicht
im geringsten um die Befriedigung sogenannter Grundbedürfnisse geht. Alles ist
erlaubt, was Freude macht. Kann danebengehen (siehe den Luther ganz am Anfang),
macht aber nichts. Denn dann helfen die „sozialen Werkzeuge“ Verachtung und
Mißachtung weiter, wenn man denn Alternativen aufzeigen kann. Angeblich
originäre Wirtschafts-Instrumente wie Steuervorteile oder Subventionen sind dagegen
untaugliche Relikte mechanistischer Denkweisen.
Kleine Erinnerung: Diese Merkmale einer artgerechten
Wirtschaftsform sind nicht hierarchisch, sie sind vernetzt. Nicht vergessen!
Mehrwert und Wachstum
– „Der Sinn allen Wirtschaftens ist der Mehrwert, das Wachstum“. Natürlich
das Mehren von Wohlergehen! Damit ist klar, das es keine Grenzen des Wachstums
gibt. Vielleicht ist das beim Wohlstand so, nicht aber beim Wohlergehen, zu dem
die Entfaltungsmöglichkeiten gehören! Das ist jetzt nicht mehr so einfach wie
das Denken in Zahlen. Aber es müßte doch jedem klargeworden sein, daß ein BIP,
nur noch getragen durch die sogenannte Finanzindustrie, nicht mehr ganz so werthaltig
ist. Vor allem dann nicht, wenn in Quartalen gedacht wird. Die Geschwindigkeit
des Wachstums ist keineswegs ein Merkmal ihrer Güte. Man kann sich auch künstlich
unter Druck setzen – und sich herrlich dabei selbst austricksen.
Merke: Mehrwert ist
nicht Beutemachen und das Verteilen der Beute unter den Spießgesellen; er
bedeutet Auf- und Ausbau, nicht Zerstörung! Schon gar nicht Zerstörung der Ressourcen:
Alles auffressen kann man eben wirklich nur einmal!
Mehrwertschaffen findet auf jeder Stufe einer Wertschöpfung statt, also auch und gerade
beim Leistungslohn. Nebenbei: Ausgerechnet der Kapitalismus mit seinem Leistungsanspruch
verlangt, für gute Leistung möglichst umsonst zu arbeiten. Allein das zeigt
schon, daß er gar keine echte Wirtschaftsform darstellt. Es ist nicht
entscheidend, daß am Ende möglichst viel (für wenige) übrigbleibt. Der
individuelle Reichtum und der individuelle Gewinn am Ende sind erlaubt, aber vollkommen
unwichtig, solange davor nicht auch Mehrwert geschaffen wurde. Entscheidend ist
der Erfolg für jeden einzelnen in jeder Phase der Wertschöpfung, erst das
garantiert Leistungsbereitschaft und -steigerung, alles andere ist nur auspressen
und wegwerfen. Das hinterläßt nur abgenagte Knochen, wie bei den Raubtieren.
Deren außerordentlich geringe evolutionäre Bedeutung wurde ja schon erwähnt.
Ähnlich ist es auch mit sogenannten „Altindustrien“, die
unbedingt immer erhalten bleiben müssen, wegen der doch von selbst laufenden,
eingefahrenen Geschäfte und der Arbeitsplätze. Geldwechseln ist keine Form des
Wirtschaftens. Es ist allenfalls Ausdruck geistiger Bequemlichkeit und
Faulheit.
Noch einmal zur Erinnerung – Lernen durch „Einhämmern“ –: Es
geht hier nicht um die Unterscheidung in Grundbedürfnisse und Luxus oder
ähnliche Kriterien, die lediglich ausgrenzende Funktion haben. Solche Kriterien
sind bestenfalls der bürgerlichen Deformation (ein Mutationsunfall der politischen
und sozialen Seite der Evolution) geschuldet, deren krankhaft übersteigertem
Sicherheits- und ebensolchem Geltungsbedürfnis.
Leistung und
Innovationsdruck – Leistung und guter Leistungslohn sind was anspornt, sind
was Erfolg, auch und gerade ganz individuellen Erfolg ,schafft. Und Erfolg spornt
zu noch mehr Leistung an. Daß es dabei auf das Einhalten gemäß dem Prinzip der
„ständigen, leichten Überforderung“ ankommt, wurde schon ausgeführt, kann aber
nicht oft genug wiederholt werden. Evolution kombiniert Geschwindigkeit und
„Sprunghöhe“ immer wieder neu. Beides muß innerhalb der Bandbreite bleiben, die
bewältigt werden kann. Wie an der Fischtreppe: Sind die Stufen zu hoch, bleibt
auch der allergrößte Anlauf mit maximaler Anlaufgeschwindigkeit erfolglos.
Es fügt sich, daß guter Leistungslohn gleichzeitig auch Rationalisierungs-
(interne Innovation) und „Kreationsdruck“ zu neuen Produkten, besseren
Produkten, zu neuen Leistungen, besseren Leistungen (externe Innovation)
bewirkt. Leistunsgbereite Arbeiter und ständig unter „Denkdruck“ stehende Unternehmer
passen bestens zusammen. Die Methode, erst die Abschreibungen zu Ende verdienen,
ist hochgradig innovationsfeindlich und damit kontraevolutionär. Produktivität
ist eine Kennzahl, die für sich allein betrachtet in die Irre führt. Gelegenheiten
zu verpassen, nur weil man „nicht zu Ende verdient hat“, nur weil es doch
gerade so schön läuft, führen unweigerlich ins Abseits.
Es freut mich immer wieder, mich selbst zitieren zu können.
Arbeiter und Unternehmer könnten in einer leistungsorientierten Gesellschaft
vor diesem Hintergrund sogar eine neue Mitte der Gesellschaft bilden, eine
„Achse des Mehrtwerts“:
Wirtschaften in
Bandbreiten – Es gibt schlicht und ergreifend keine absoluten Werte, an
denen man sich orientieren kann. Wenn jemand also postuliert, nur das Geschäft
zum Bestpreis habe sich gelohnt und nur wer dieses Geschäft gemacht habe, der
habe es auch verdient, weiter „am Markt“ präsent zu sein, der sollte sich auf
seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Wirtschaften ist kein Kampf in der
Arena auf Leben und Tod. Ob etwas erfolgreich ist, hängt von ganz individuellen
Maßstäben ab. Erfolg mißt sich nicht einfach nur an „Vier ist mehr als Drei“.
Ob ein Geschäft erfolgreich ist oder nicht, ob der Gewinn gut ist oder nicht
ist, ist Frage der Maßtäbe. Die Frage ist nicht, ob jemand mehr Rendite gemacht
hat, die Frage ist, wie man beim nächsten Mal seine eigene erhöht; denn
offenbar war die Bandbreite doch größer als angenommen. Dann darf man aber auch
nicht den wirtschaftlichen Freitod wählen, nur weil man gerade einmal nur
Zweitbester geworden ist. „Am Ende kann es nur einen geben“ taugt für Spielfilme.
Wirtschaften ist eben kein Kriegführen, Wirtschaften ist der beständige Weg zu
Mehrwert und Wachstum.
Klar sein muß man sich aber darüber, daß Bandbreiten in
aller Regel eher schmal sind (Komisches Wort „schmale Bandbreite“, nicht wahr?
Ist aber so). Aber man kann ja kompromißbereit, auf „Evolutionsdeutsch“:
anpassungsfähig sein. Damit etwas bewertbar bleibt, legt man halt immer wieder
neu und regelmäßig die Bandbreite fest. Daran kann man dann bewertet werden.
Das ist im übrigen etwas anderes als die berühmten „Gewinnwarnungen“ (auch so
ein lustiges Wort). Die haben doch in Wahrheit nur den einen Zweck, den als
falschliegend enttarnten Verantwortlichen kurz vor dem Knall im voraus zu entlasten.
Sehen Sie, es sind doch nur die Menschen mit all ihren kleinen Schwächen, die
wirtschaften. Unabhängig aller theoretischer über- und untergebauter Modelle,
die ohne Menschen auskommen wollen. Denn Bandbreiten haben eine Unschärfe.
Wettbewerb in
Bandbreiten – Ein kurzer Absatz: Gleiches gilt auch hier. Wichtig ist nur,
daß evolutionärer Wettbewerb nicht im mindestens auf die Vernichtung abzielt.
Wenn in der Evolution Arten verschwinden, dann wurden sie nicht von anderen
vernichtet. Ihr Experiment war einfach nur danebengegangen. Denn beim Wirtschaften
hat Wettbewerb eine ganz eigene Dynamik: Wettbwerb ist der Vorgang, an dessen
Ende seine Abschaffung, an dessen Ende das Kartell steht. Und dann ist es
vorbei mit der evolutionären Vielfalt. Dann haben wir den Salat, dann liegt
Inzucht vor.
Damit aber die Vielfalt erhalten bleibt, braucht es nicht
einfach nur mehr Wettbewerb. Wenn man also einfach hergeht und sagen wir einmal
die Wasserversorgung privatisiert, um damit Wettbewerb in den Markt zu bringen,
so ist das bestenfalls eine Lüge. Denn es geht nur um den Zugriff auf Produkte,
die „wie geschnitten Brot“ laufen. Es geht um das risikolose Auspressen von
Abhängigen. Und das heißt, daß evolutionäres Wirtschaften damit am Ende ist.
Nein, Wettbewerb erfolgt „intrinsisch“ durch fortwährende Leistungssteigerung.
Mehrwert und Wachstum erzeugen aus sich heraus ständigen Wettbewerb, auch mit
sich selbst. Die Bandbreite des erfolgversprechenden Wettbewerbs wird dann
durch die Bandbreite der ständigen leichten Überforderung bestimmt. Und wem das
zu kompliziert und zu allgemein ist: Wettbwerb erreicht man durch offene Türen
und Fenster, wegen des frischen Windes. Man muß nicht besinnungslos die eigenen
Haustiere zur Schlachtbank führen, nur damit noch ein Metzger mehr etwas zu
verdienen hat.
Wirtschaftender
Mensch – Den nicht wirtschaftenden Menschen gibt es nicht. Es gibt nur den
wirtschaftenden Menschen. Jeder für sich selbst. Es ist unabdingbare Aufgabe
jeder gesellschaftlichen und staatlichen Organisationsform, ihn dazu zu
befähigen. Ihm den Entfaltungsspielraum zu geben. So! Und jetzt haben also all
die recht, die jedwede Fürsorge fahren lassen wollen, um die Lohnnebenkosten
wegzubekommen, oder?
Nein, haben sie nicht! Ob jeder zum Beispiel für seine
Altersvorsorge oder sonstige Belange allein zuständig ist oder nicht – das sind
ganz andere Fragen sinnvoller Alternativen –, an den Kosten für die Unternehmen
ändert das nämlich nichts. Es war ja schon vom Leistungslohn die Rede, vom
guten und hohen Leistungslohn; das Wörtchen hatten Sie wohl überlesen. Es steht
aber nicht zufällig in diesem Text. Die Annahme, irgendwer habe Eigentum an
Produktionsmitteln, irgendwer verfüge über Investitionsmöglichkeiten, und das
berechtige ihn auch, möglichst billig und knechtend andere Menschen, die diese
Form von Eigentum nicht haben, für sich und zu seinem Wohl arbeiten zu lassen,
ist doch nichts weiter als eine weitere Ausprägung selbsternannten
Herrenmenschentums. Und um zu zeigen, wie unwichtig das alles ist, hier zwei
kleine Hinweise: Eigentum ist nichts weiter als die Duldung daran. Wer es
übertreibt, den kann man getrost wegjagen. Und Geld ist etwas ganz anderes.
Dazu komme ich gleich noch.
Um aber die am Horizont jetzt von einigen schon erkannte
drohende rote Gefahr abzuwenden: Mir geht es nicht im geringsten um
Enteignung.Ich möchte nur auf die Zerbrechlichkeit abgeblich fester Strukturen
hinweisen. Wer aber einfach nicht anerkennen will, daß er es mit anderen
Menschen zu tun hat, die ihm nicht im mindestens etwas schuldig sind, der kann
wegbleiben. Wer nicht erkennt, daß jeder einzelne Mensch als wirtschaftendes
Subjekt gleichen Stellenwert hat, der soll sein Geschäft auf dem Mars machen.
Der ist für die weitere Evolution der Art hier auf diesem Planeten nur Ballast.
Respekt als sozialem
Leitgedanken des Wirtschaftens – So, So! Und jetzt kommen wir also zu den
„soft facts“ oder wie das mitlerweile heißt? Nein. Respekt ist ein
unabdingbarer Wert in jeder Form sozialer Organisation. Ein Wesensmerkmal der
Gattung der Säugetiere. Respekt hat evolutionären Charakter. Er ist
unverzichtbare Voraussetzung auch für die kleinste Anstrengung zu Leistung.
Respekt ist aber nicht eine bewertbare Größe. Man kann ihn nicht kaufen.
Willfährigkeit kann man kaufen. Nicht aber Resepkt und auch nicht
Leistungsbereitschaft. Kaufen kann man nur die abgelieferte Leistung.Und ob die
hoch ausfällt, ist auch und gerade eine Frage des Respekts, mindestens
gleichwertig dem Lohn.
Wirtschaftsspirale –
Am besten bildet eine Spirale das ab, was Wirtschaften im evolutionären Sinne
eigentlich ist. Sie dreht sich scheinbar in Kreisläufen. Tatsächlich aber hat
sie eine kontinuierliche Ausdehnung. Sie dreht sich mal schneller, mal
langsamer, sie dehnt sich mal stärker, mal schwächer, sie schwingt auch
manchmal etwas hin und her. Aber solange sie in den erlaubten Bandbreiten
(Unschärfe!) bleibt, ist sie stabil und dreht sich immer weiter. Sie kann sogar
kräftige Stöße von außen abfangen. Genau das ist es, was mit Mehrwert und
ständigem Wachstum prinzipiell gemeint ist: Das Weiterdrehen der Spirale; den nächsten
Spiralarm anbauen.
Nur ein Bild? Nein. Die vielbeschworenen Kreisläufe gibt es
gar nicht. Und das in zweierlei Hinsicht. Es gibt keine völkische Substitutionswirtschaft
(Wirtschaften war und ist immer eine globale Aktivität, nur die Weite des
Horizonts hat sich verändert) und es gibt keine immergleichen mechanistischen
Vorgänge, wie sie die Neo- oder sonstigen Liberalen postulieren.
Auch das oft gehörte Nullsummenspiel (linke Tasche, rechte
Tasche) gibt es nicht. Wenn irgendwo etwas weggenommen wird, dann bricht das
System zusammen. Auch wenn es woanders landet, so paßt es da nicht hinein. Es
ersetzt das Loch nicht. Worte lügen nicht: Wenn so oft von „Gegenfinanzierung“
die Rede ist, dann zeigt das nur die Angst vor dem Voranschreiten. Dabei kann
man Fehler machen. Auf der Spirale allerdings muß man etwas machen, das
„Vorfinanzieren“ heißt. Oder Investieren. Da nimmt man dann eine neue Windung
vorweg. Sonst geht es nicht voran.
Die Wirtschaftsspirale kann aber auch einmal in einen
Resonanzzustand geraten, mit richtig kräftigen Schwingungen. Sie kann auch mal
ein Stück weit zurückfedern. Sie kann aber niemals brechen. Und sie kann nicht
komplett rückwärts laufen. Das passiert erst dann, wenn wir Säugetierart Mensch
durch die Kopffüßler ersetzt worden sind, wie einige weit voraussehende
Wissenschaftler meinen.
Geld – Wie war
das? Erst war die Tauschwirtschaft, dann kam das Geld als Zahlungsmittel, weil
es einfacher ist. Dann kam dies und das. Und mittlerweile ist Geld gedrucktes
Vertrauen. Hätten wir nach Lehman gelernt. Welch ein Blödsinn!
Der Sinn des Geldes war von Anfang an: Vertrauen auf die
Erfüllung von Zusagen, und das nach akzeptierten Bewertungsmaßstäben (und darin
steckt dann die unabdingbare materielle Seite des Geldes, es existiert nicht
für sich allein im virtuellen Raum, selbst wenn man es als Idee nicht anfassen
kann). Alles andere ist davon abgeleitet (Zahlungsmittel, Vereinfachung des Handels
etc). Damit hat die Idee des Geldes evolutionären Stellenwert. Es ist
unabdingbare Voraussetzung für Wirtschaften unter Menschen. Nur essen kann man
es nicht.
Ich habe einmal gehört, in irgendeiner vorindustriellen
Gesellschaft haben Steine vor den Häusern gelegen. Diese Steine hätten die
Kreditwürdigkeit des Bewohners repräsentiert. Das ist jetzt ein Ding, nicht
wahr? Also: Back to the roots. Die Wertschöpfung mit Geld aus sich heraus zu
neuem Geld ist einfach nur Unfug. Das ist genauso schwachsinnig wie der
Versuch, Fahrräder zum Fliegen zu bringen, weil das die Flugzeuge sparen würde.
Ja, aber: Wenn man Geld nicht essen kann, so kann man doch
damit zu Essen kaufen, oder? Nein, kann man nicht. Denn damit man etwas zu
essen kaufen kann, muß das erst einmal produziert werden. Und zwar mit Mehrwert
für die Produzenten. Dazu braucht man Geld. Kennen Sie „Dune, der
Wüstenplanet“? „Das Spice muß fließen“, heißt es da. Paßt hier haargenau. Wenn
Geld benutzt wird, um mit sich selbst zu handeln, dann fehlt es da, wo es
gebraucht wird. Also, gebt den Zockern Chips, wie es in jeder Spielbank (schon
wieder etwas für „Worte lügen nicht“) üblich ist.
Aber: Wo soll denn das benötigte Geld herkommen? Das muß
doch erst einmal verdient werden! Nein, muß es nicht. Solange das Vertrauen da
ist, kann es gedruckt werden. Das ist bei jedem Kredit so. Das Vertrauen darf
nur nicht (allzu sehr) enttäuscht werden. Vor allem nicht durch Kredite, die
nur als Halbzeuge auf dem „Veredelungsweg“ zum Derivat gebraucht werden
(Subprime).
Geregelter Markt –
Der Markt regelt sich doch selbst? Mit Angebot und Nachfrage. Das ist doch
genug. Ist es nicht. Hat Luther auch schon festgestellt. Evolutionäres
Wirtschaften funktioniert nur in Bandbreiten, schmalen Bandbreiten. Das ist für
alle Beteiligten gesünder. Vor allem in Bereichen, in denen die Verlockungen
groß sind, zum Beispiel Energie, Wasser, Wohnen, da darf „das sichere Geschäft“
dann auch gern ein kleines sein. Sicherheit und hohe Rendite passen halt
wirklich nicht zusammen; da haben die Marktradikalen nun einmal recht. Das muß
man der Fairness halber auch erwähnen.
Und alles weitere? Neue Produkte usw.? Nun, der Markt kann
überhaupt nichts regeln. Er ist nur ein Begegnungsplatz, sonst nichts. Man darf
ihn nicht überfordern. Und antizipieren und neue Entwicklungen aufgreifen, das
macht aber der Markt dann von allein! Nein, auch das macht er nicht. Das
Beispiel der ersten Eisenbahnlinie in England mag das zeigen (ist auch
unverfänglich, da sich dort nur frühe Marktradikale untereinander in die Quere
kamen).
Also: Auf Basis einer vorhandenen, aber noch keineswegs
serienreifen Technologie (Risiko!) wollten einige investieren, um mehr
erreichen zu können. Das war löblich. Und sie hatten auch kein Problem damit,
durch topographisch ausgesprochen schwieriges Gelände zu bauen. In die Quere
kamen sie dabei anderen, die auf dem Transportgeschäft mit Treidelkanal und
Kutsche saßen. Da waren wohl die Abschreibungen noch nicht verdient worden. Gelöst
wurde das ganze erst mit endlosen, aber umso intrigenträchtigeren Vorstößen im
Parlament. Und wo war da die Selbstregulierung?
Ist das nicht Planwirtschaft? Ja sicher ist es das!
Zumindest dann wenn, man einen Plan hat. Am besten einen guten. Zum Beispiel
bei der systemischen Neuorganisation der Energiegewinnung, -speicherung und -versorgung.
Dabei auf den Markt zu warten, wäre eine Adaption von „Warten auf Godot“.
Ja, aber, das ist doch Staatswirtschaft! Ja sicher ist es
das! Aber nur in einem Staat, der Führen und Regieren ernst nimmt. Weder der
„Drehtür-Staat“ zur Wahrung von Klientelinteressen (Achtung: Gesetze zur
Wahrung von Interessen werden nur solange befolgt, wie sie nicht andere
Interessen gefährden!) noch der Versorgungsstaat können das. Der unternehmende
Staat kann das schon. Und ich freue mich schon wieder, mich hier selbst
zitieren zu dürfen:
http://peter-rudolf-knudsen.blogspot.de/2013/04/der-unternehmende-staat.html
http://peter-rudolf-knudsen.blogspot.de/2013/04/der-unternehmende-staat.html
Wie genau man beim „Marktregeln“ die Bandbreiten beachten
sollte, mag das Beispiel „mergers & acquisitions“ zeigen: Verkaufen
Unternehmen, verkaufen CEOs untereinander Anteile, so ist diese Form des
Unternehmertums erst einmal nur ein Zeichen für mangelnde Eigeninitiative. So
kommen die gewünschten Zahlen schneller in den Quartalsbericht. Es könnte aber
auch strategisches Kalkül dahinterstecken. Dann kann es zu einer Frage des
Wettbewerbserhalts werden. Wenn es aber dann in eine Form von „Schrotthandel“,
„Abschreibungskünstlertum“ oder gar zur „Halbzeugproduktion“ der „derivatesüchtigen
Finanzindustrie“ wird, dann ist die Bandbreite verlassen. Alles klar?
____________
Zum Schluß: Vollkommen unwichtig sind bei all dem Besitzbürgertum
und sonstige „Groß-Vermögende“. Wichtig ist nur der politische Wille und die
politische Macht. Das wissen die genannten auch, sonst würden sie nicht alles
tun, um diese politische Macht zu behalten. Warum eigentlich? Sie sind doch
reich! Nun, weil man Geld, das für Investitionen gebraucht wird, drucken kann.
Das liegt am Wesen des Geldes, denn solange Vertrauen da ist und es nicht „verjuxt“
oder „verpraßt“ wird, funktioniert das. Man darf das Vertrauen nur niemals (tief)
enttäuschen. Und auch das Eigentum an Grund und Boden und an sonst etwas
anderem ist nichts weiter als eine gesetzlich geschützte Duldung. Man sollte
sorgsam damit umgehen und sich die weitere Duldung sichern.
Auch ist hier ist gar nicht von Gerechtigkeit und Neid und
all dem anderen Vielgehörten die Rede. Warum eigentlich nicht? Nun, weil es
darum nicht geht. Gerechtigkeitsempfinden und Neid beschreiben Wesenzüge des
Menschen. Grundlegende Wesenzüge. Die systemischen Hintergründe, die
systemische Basis, auf der wir in der Gattung der Säugetiere stehen, ist aber
wesentlich älter. Und ich finde, es macht gar nichts zu erkennen, daß auch wir
ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
Und noch etwas mit auf den Weg: Die gegenwärtige Situation
und ihre Tendenzen führen zwangsläufig in einen Verteilungskrieg. Wer den will,
der soll ihn meinethalben haben. Ich, der Leiharbeiter,fürchte diesen Krieg
nicht. Aber es kann auch ohne gehen. Das soll nicht an mir liegen.
Ganz zum Schluß ein Späßchen: Unter Fehlallokation verstehe
ich ab sofort alles, was nicht in meiner Tasche landet. Womit der Kapitalismus
als das entlarvt ist, was er wirklich ist: Ein Witz in der Mitte der
Geschichte. So wie die bürgerliche Gesellschaft.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Dezember 2013
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Dezember 2013
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