Aber das führt eben nur zu der Erkenntnis, daß das Bürgertum
gar keine Gesellschaftsform ist. Denn es hat kein soziales Verhalten. Es kennt
nur zeitweilige Zweckgemeinschaften zur Wahrung des status quo. Und so kommt
man dann auch nicht weiter. Weder bei Pensionslasten noch bei Bildung und
Ausbildung.
Vielleicht reden die Bürgerlichen auch deshalb immer von
Tradition, weil sie eben nur diese, auch wenn sie nur vermutet wird, kennen.
Vielleicht ist ihr politisches und gesellschaftliches Gesichtsfeld ja
gewissermaßen schon polit-genetisch sehr stark eingeschränkt.
Das würde auch erklären, warum die Diskussionen um Rente und Kindergartenplätze
und um was weiß ich noch alles, sich ständig um einen vollkommen inhaltslosen
Gerechtigkeitspol drehen. Inhaltslos? Ist das nicht wichtig? Wichtig schon,
aber nicht Angelpunkt, um wirklich voranzukommen. Es ist eben nur der Drehpunkt
der Diskussionen: Sich immer weiter im Kreise drehen, bringt halt keinen
Schritt weiter nach vorn.
Dazu gahört auch die ständige Warnung davor, nicht den
künftigen Generationen Lasten aufzubürden, die die dann nicht mehr tragen können.
Welch eine Erkenntnis! Vor allem, wenn man einmal eingesehen hat, daß selbst der
visionärste der visionären Politiker einen Zukunftshorizont von vielleicht zehn
Jahren erfassen kann. Die aktuellen „Organisierer des demographischen Wandels“
sollten mit ihren Antizipationsversuchen besser zum Merlin gehen.
Zu was das führt, soll das Beispiel von Udo Bürgermann
zeigen; nennen wir ihn halt so, als Arbeitstitel: Der will keine Kinder. Die
kosten nämlich nur Geld. Der will lieber was von seinem Leben haben. Aber er
ist verantwortungsbewußt. Er legt Gold zurück für sein Alter. Und Gold haben
schon die alten Griechen gemocht. Das geht immer. Das ist er sich selbst schuldig.
Er will im Alter von niemandem abhängig sein. Das läßt sein Stolz (er nennt es
bürgerliches Verantwortungsbewußtsein) nicht zu. Ein paar Jahrzehnte später
stellt er fest, daß sein Gold reichlich an Wert verloren hat. Das Gold hatte
nämlich gar nichts mit der Altervorsorge am Hut. Es wollte vielmehr kräftig gehandelt
werden. Und da guckt Udo dann dumm aus der Wäsche.
Was hat Udo eigentlich falsch gemacht? Nun, er hat sich ganz
einfach nicht säugetiergerecht verhalten. Das ist im übrigen die einzige
Stelle, an der der Wortsteil „gerecht“ sinnvollerweise in der ganzen Diskussion
gebraucht werden sollte. Er hat weder für den Erhalt und vor allem den Ausbau
der Gesellschaft etwas getan (muß er auch nicht unbedingt mit eigenen Kindern
tun). Er hat auch nicht im mindesten begriffen, daß er auch in Zukunft, wie
heute, aus dem Hier und Jetzt lebt (die Vorausschaubarkeit ist ja etwas
begrenzter als angenommen).
Hier und Jetzt heißt aber eben nicht: „Von der Hand in den
Mund“. Es heißt vielmehr, daß systemisch Mechanismen installiert werden müssen,
die einerseits Motivation zur Leistung abgeben. Und die Aussicht auf ein
halbwegs gesichertes Alter ist Teil dieser Motivation; diese Aussicht hilft,
Risiken zu ertragen. Andererseits müssen diese Mechanismen die versprochenen
Leistungen erbingen können, ohne die mittleren Generationen zu erdrücken.
Nun, diese Mechanismen gibt es längst. Sie funktionieren,
zum Beispiel in Schweden, recht gut. Dort „scheißt der schwedische Teufel eben
auf den größten Haufen“. Und das ist der am Kapitalmatkt agierende Staat. Der unternehmende
Staat also. Nicht der quatschende. Und wenn es dem deutschen Bürger nicht
gefällt, einfach etwas kopieren zu sollen, dann mag er halt seine Michelmütze
an das System hängen und sagen, es wäre von ihm. Das könnte ich noch ertagen.
Nicht ertragen will ich mehr das dumme Gerede zu diesem Thema.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Dezember 2013
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