Donnerstag, 9. Mai 2013

Der Mehrwert Geldschöpfung vs Wertschöpfung

„Auf der Suche nach dem Higgs-Teilchen der Ökonomie“ oder „So funktioniert der Kapitalismus!“ Ich bin umgeben von Zauberlehrlingen – von Lehrlingen, nicht von Meistern!

Die reine kapitalistische Lehre braucht die reale Welt nicht. Buchgeldschöpfung der „Marktteilnehmer“ untereinander reicht völlig aus. Im Prinzip gibt es dann auch keine Schulden, keine Pleiten mehr. Allein: Geld kann man nicht essen, nicht davon existieren. Es muß also irgendwann „materialisieren“ (und tut es „zwischendurch“ ja auch, zum Beispiel beim Immobiliendeal mit echten, nicht nur verbrieften Immobilienanteilen). So eine reine Lehre könnte nur zwischen Computern existieren, aber auch die brauchen Energie. Und die muß real gekauft werden; schon wieder ein Materialisationsproblem!
Also noch einmal (Wiederholung als pädagogisches Konzept): Die seltsame Verwandlung des „klassischen“ Giralgeldes von der saldentechnischen Größe zum wahren Wert! Das ist es, was in meinen Augen den real existierenden Kapitalismus antreibt. Das ist in der Sicht der Kapitalisten der „Stein der Weisen“. Und daher gibt es in der Sichtweise des homo oeconomicus (so sehen sich die Kapitalisten sehr gern selbst, allerdings repräsentieren sie den wirtschaftenden Menschen in keinster Weise) eigentlich gar keine Schuldenprobleme – würde das Geld nicht zwischendurch immer „materialisieren“ wollen oder müssen. Und irgendwann müssen Salden auch einmal glattgestellt werden.
Und noch so ein Widerspruch im real existierenden Kapitalismus: derSchuldenabbau durch Vermögen. Und damit meinen die dann plötzlich Realvermögen. Nur: wessen Vermögen? Buchgeldvermögen, geschöpftes Geld wird dann plötzlich nicht mehr akzeptiert. Oder man traut sich dann nicht, einfach Buchgeld wieder zu vernichten. Es ist schon seltsam. Die „Erfinder des Systems“ trauen sich dann nicht, das System selbst zu Ende zu denken. Warum bloß? Weil es nicht geht. Das postulierte Buchgeldsystem existiert einfach nicht. Und so kommt man zu dem Ergebnis, zur Schuldentilgung irgenjemandes Vermögen zu nehmen (zum Beispiel von Menschen, die ihr Geld zufällig auf irgendeinem Konto hatten), weil derjenige ja Zeit genug hatte, etwas daraus zu machen oder es lange genug genutzt hat. Das ist keine Logik, das ist schlicht und ergreifend Diebstahl.
Viel wichtiger aber ist, daß durch den real existierenden Kapitalismus  gar kein Mehrwert geschaffen wird. Mehrwert, auch so ein Zauberwort. Der Mehrwert ist das, was es mir hinterher, nach einem Geschäft, an Wert mehr gegenüber vorher ist. Das ist das evolutionäre Prinzip der ständigen Verbesserung im Vorgriff, ohne konkreten Anpassungsdruck. Es ist nicht die Anpassung im Nachhinein an geänderte Voraussetzungen. Die funktioniert nämlich gar nicht, weil der nicht schon vorher Anpassungsfähige im Falle des schnellen Anpassungsdruckes gar keine Zeit hätte, zu mutieren. Fähigkeiten entstehen aber nicht gezielt, auf Vorrat gewissermaßen. Sie entstehen, weil sie es können, weil es im Entwicklungsprinzip so angelegt ist.

Was hat es mit dem Geld eingentlich auf sich?

Geld ist als hilfreiches Instrument des Wirtschaftens der Menschen untereinander gedacht. Geld ist ein Vertrauensvorschuß, eine Kreditzusage und ein Vertrauen auf Rückzahlung beziehungsweise auf die Einhaltung von Zusagen überhaupt. Damit ist Geld als Voraussetzung für (Fern-)Handelsbeziehungen älter als die Zahlungsmittel es sind (stelle ich als These einfach einmal in den Raum). Zahlungsmittel repräsentieren Geld und machen es zählbar, verhandelbar, bewertbar, faßbar. Mehr aber auch nicht.
Die (Buch-)Geldschöpfung im Kapitalismus macht auch deshalb keinen Sinn, weil man Vertrauen nicht technisch schaffen kann. Vertrauen läßt sich nicht „schöpfen“. Geld ist  aber sehrwohl ein Maß für Wertschöpfung. Letztere wird dadurch monetär bewertbar, obwohl ihr Wert oder das Mehr an Wert mit Geld gar nichts zu tun hat. Mehrwert ist nichts weiter als das, was jemand für sich als (Mehr-)Nutzen erkennt. Und dieser Nutzen kann durchaus einfach nur Vergnügen sein. Produkte und Leistungen, die Freude machen, sind gute Produkte und Leistungen. Sie haben daher einen (Mehr-)Wert.
Wenn der augenblickliche Kapitalismus von Geld und Geldschöpfung redet, dann meint der etwas anderes: er meint irgendwelche Einheiten, die sich durch bloßes Bewegen zwischen Konten errechnen lassen. Das ist mathematisch vielleicht möglich. Aber es ist kein wirtschaftlich bedeutsamer Vorgang.
Apropos Mathematik. Ich bin der festen Überzeugung, daß Wirtschaften nur in sehr eingeschränktem Maße über die Möglichkeiten der Mathematik verfügt. Wirtschaften findet weder im Bereich der imaginären Zahlen noch im Bereich der negativen Zahlen statt. Und auch die Null bleibt außen vor. Wirtschaften kann nur im Bereich der positiven Zahlen stattfinden. Es gibt auch nur eine Richtung der wirtschaftlichen Entwicklung oder eben Stillstand. Es gibt höchstens die Möglichkeit, falls die Zahlen zu hoch werden und ein schlechtes Gefühl verursachen, einfach alles beispielsweise zu halbieren. Weil das so ist, muß Wirtschaften auch stets auf Mehrwert angelegt sein. Über die Geschwindigkeit ist dabei allerdings noch nichts ausgesagt. Auch das ist eher eine Frage des guten Gefühls – und der besser zu vermeidenden Nebenwirkungen (ressourcenschend, menschengerecht, steuerbar).
Jetzt haben sie mich am Ende doch noch erwischt, meinen Sie? Geldschöpfung sei doch Wertschöpfung! Die besseren und hohen Zahlen auf dem Konto schütten doch auch Glückshormone aus. Stimmt. Für diesen einen Augenblick. Sobald der Prosecco zum Anstoßen auf den Erfolg ins Spiel kommt, „materialisiert“ die ganze Sache wieder, denn der muß real bezahlt werden. Wertschöpfung ist trotz aller gedanklicher, ja emotionaler Bewertung, die dahinter steckt, eine Sache der „Materiellen Sphäre“. Geldschöpfung ist Bestandteil einer immateriellen, je spirituellen Sphäre (sie gehört noch nicht einmal zum „real existierenden digitalen Raum“).

Fazit

Auch wenn es viele Beispiele für völlig abstruse Denkmodelle gibt (zum Beispiel die Lehre, es gäbe unterschiedliche Rassen von Menschen), die viele Jahre, ja Jahrhunderte lang das Leben der Menschen bestimmt haben, so gilt doch eines: das Instrument Geld ist zu wichtig, um es den Kapitalisten zu überlassen.
Der real existierende Kapitalismus dieser Tage ist nicht Ausgeburt der Hölle, nicht Zeichen maßloser Gier oder am Ende die Überwindung des materiellen Elends der Menschheit. Er ist – und bei genauem Hinsehen sind die Dinge meist sehr einfach –: einfach nur dummes Zeug.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Mai 2013

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