Die bürgerliche Lösung hat sich als untauglich erwiesen. Sie
pendelte zwischen „Every-Bodies-Darling“ und „Basta“ mehr oder weniger
uninspiriert hin und her. „Fertig“ wurde eigentlich kaum etwas. Die Ursache
suchte man gern irgendwo zwischen staatlicher Inkompetenz und
privatwirtschaftlicher Initiative, obwohl es eigentlich nur den Unterschied
zwischen guten und schlechten Lösungen gibt.
Einmal anders skizziert, könnte das so aussehen:
Parlamentarismus und repräsentative Demokratie (aus Gründen
der Praktikabilität) waren und sind zwar gute Lösungen, sie müssen aber weiter
ausdifferenziert werden. Gleiches gilt für Parteien darin, die
selbstverständlich Interessenvertretungen sind (weniger weltanschaulich
homogene Gruppierungen). Aber: Parteien sind nicht die politischen oder
gesellschaftlichen Interessen eines Staates, sie bündeln sie höchstens, soweit
es überhaupt einen ganz spezifischen Willen einer staatlichen Gemeinschaft
gibt. „Volkes Wille“ wird schnell auch zu einer gelenkten oder leicht
manipulierbaren Klamaukveranstaltung. Eine Volkspartei wird schnell zum
Karnevalsverein.
Demokratie und Selbstverwaltung müssen dabei auch noch im
schlanken unternehmerischen Staat etabliert werden, der nur mit und von seinem
unternehmerischen Geschick, Mehrwert zu schaffen, lebt. Unternehmerisch heißt
dabei: Leitideen voranbringen, auch ökonomische Neuausrichtingen, Großprojekte
oder „Leuchtturmprojekte“ voranbringen,
also zu führen. Es heißt aber nicht, größter Arbeitgeber für
„Staatsbürger“ zu sein, der nachfolgenden Generationen nur Pensionslasten
beschert; er leistet Fürsorge, aber er ist nicht Ersatzmutter; er stellt ein
wichtiges Element der Heimat dar, aber er ist nicht Heimat.
Noch eimal zu den Parteien, die auch deswegen notwendig
sind, damit Menschen sich zur Durchsetzung ihrer Interessen überhaupt
zusammenschließen können. Die Stimme eines jeden zählt gleich, aber wenn man
Mitstreiter findet, geht es halt leichter. Daß die Parteien dabei als Sammlung
von Menschen auftreten, die ihre Leute bei Wahlen unterstützen, ist dabei
völlig in Ordnung. Wichtig ist dafür zu sorgen, daß jeder Gewählte verantwortlich
gemacht werden kann, nicht nur gegenüber „seiner“ Partei. Ein sogenanntes
imperatives (Parteien-)Mandat ist sehr schädlich, denn es zementiert den
Einfluß der Partei hinter dem Gewählten. Damit wird Demokratie ausgehöhlt: die
Verantwortung des Gewählten, des Deputierten, gegenüber allen (seinen Wählern
in seinem Wahlkreis) wird reduziert auf die Verantwortung gegenüber wenigen
Parteitagsdelegierten.
Was zählt ist die Gewissensentscheidung, die vielgerühmte.
Es zählt aber auch die direkte Verantwortung dafür. Und es zählt die Trennung
von Amt und Mandat, allein schon wegen der Gewaltenteilung. Wer ein Ministeramt
zum Beispiel bekleidet, der darf nicht aus Gründen der Absicherung, falls es schief
geht, ein Mandat behalten.
Die direkte Verantwortung des Abgeordneten gegenüber allen
Menschen seines Wahlkreises (Da kann man gerne auch eine Altersgrenze komplett
weglassen, das macht die Sache spannender. Wie heißt es doch: „Kindermund
spricht Herzensgrund“. Darauf darf man ruhig einmal hören!) kann durch eine
Quartalsbewertung mit Quorum, aus Gründen der Vorbeugung gegen persönliche
Abrechnungen, ins Werk gesetzt werden. Die Bewertung liefert Punkte für die Wiederwählbarkeit
oder im Extremfall für den „Rauswurf“. Wie heißt es so schön: fördern und
fordern oder „den Leidensdruck erhöhen“.
Voraussetzung ist allerdings
nicht nur das Interesse der Staatsmenschen. Da kann man auch nachhelfen: wird
ein grundlegendes Beteiligungsquorum nicht erreicht, dann war die Sache halt
umsonst und muß wiederholt werden. Voraussetzung ist aber auch die ständige und
direkte Information eines jeden Staatsmenschen über alles beziehungsweise
reichlich viel. Ja, Demokratie kostet Blut, Schweiß und Tränen. Vor allem
Schweiß. Sie ist anstrengend.
Die direkte Information setzt weiterhin nicht nur so etwas
voraus wie „Schnelles DSL bis ans und ins Bett“. Sie setzt auch eine
strukturierte und verständliche Aufbereitung aller relevanten Daten voraus.
Zugegebenermaßen liegt hier auch eine große Stolperfalle:
alle relevanten Daten. Wer selektiert hier und nach welchen Kriterien? Muß das
mehr umfassen als die Information über den nächsten Briefkasten? Wer soll denn
ohne Studium zum Beispiel durch die Darstellung der Steuereinnahmen und deren
Verteilung noch durchblicken?
Nun, das Leben und speziell die Demokratie sind kein
Ponyhof. Jeder einzelne muß sich schon auf seinen gesunden Menschenverstand
verlassen, wenn er sich die Daten (sehr umfassend) anschaut. Aber erstens kann
man jemanden fragen und zweitens reicht der besagte Menschenverstand meistens
sogar schon aus. So kompliziert ist zumindest das politische Universum auch
wieder nicht.
Direkte Verantwortung und direkte Mitwirkung kann es auch
bei großen Infrastrukturprojekten geben. Dies aber bitte schön nach
Betroffenheit. Geht es alle etwas an, denn sollen auch alle mitwirken. Geht es
nur eine Auswahl etwas an, dann sollte auch nur diese Auswahl mitwirken. Auch
hier ist Voraussetzung Interesse (Quorum) und Information. Technisch läßt sich
auch das über Bewertungen via Internet lösen. Und auch hier kann quartalsweise
„begutachtet“ und über Änderungen entschieden werden. Allerdings kann so auch
ein Projekt „eingestampft“ werden.
Letzteres ist ein sehr bedeutsamer Unterschied zum jetzigen
bürgerlichen „Dasein“. Wenn etwas, und sei es nach fünf Jahren schwerster und
teuerster Arbeit, sich als Unsinn herausstellt, dann muß es beendet werden. Das
ist keine Frage von Schuld und Sühne. Es ist auch keine Frage von: „Das hätte
man vorher wissen müssen. Jetzt müssen wir da durch“. Es ist eine ganz
natürliche Erscheinung: die nennt man Lernen.
Ganz besonders ist in der direkten Mitwirkung noch ein
Aspekt: die direkte Wahl der ganzen Regierung, komplett. Die Repräsentanten (das
Parlament) haben sich ganz auf die Legislative zu konzentrieren. Sie dürfen
gern die Regierung überwachen und auch Vorschläge für eine Ablösung machen.
Darüber entscheiden sollten sie nicht. Denn auch die Regierung muß sich im festen
Rhythmus für ihr Handeln rechtfertigen, vor allen. Sie darf sich gerne selbst
intern umbesetzen und auch nach erster Installation „Ersatzmaßnahmen“
ergreifen. Direkte Beteiligung ist nicht Gängelung. Die Regierung braucht einen
Handlungsspielraum und einen gewissen Vertrauensvorschuß. Wenn der aber
aufgebraucht ist, dann darf sie gehen, ohne daß dabei wichtige
Gesetzesvorhaben, die einen längeren Vorlauf brauchen, dadurch gefährdet
werden, daß das Parlament gleich mit geht.
Zum Abschluß noch einmal zum schlanken, unternehmerischen
Staat zurück, dessen „Schlankheitscharakter“ auch für die Selbstorganisation
der Staatsmenschen gilt. Gemeint ist die Selbstorganisation der Kommunen und Regionen.
Die ist durchaus etwas anderes als das jetzige föderale System. Sie ist eine
flexible Zusammenkunft von Menschen, die für sich einen landsmannschaftlichen
oder kulturellen oder politischen oder wirtschaftlichen Hintergrund als
gemeinsame Basis feststellen. Das augenblickliche föderale System hat viele
historische Grundlagen, aber keine gewachsene Basis. Eine Basis, die die
Menschen darin ganz allein für sich so postulieren würden.
Die Größe einer Selbstverwaltungseinheit hat sehrwohl etwas
mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Lebensfähigkeit zu tun. So etwas
kann sich aber im Laufe der Zeit ändern. Darauf muß man flexibel reagieren
können. Die reine Betrachtung von Verwaltungskosten als Basis erzeugt nur
Verwaltungseinheiten, aber keine lebendigen Strukturen, die von den Menschen
aktiv getragen werden. Und wenn sich halt einmal „Kleinkleckersdorfianer“
zusammenschließen wollen, dann sollen sie es halt tun. Sie werden von allein
merken, wann es Zeit ist, zu „fusionieren“.
Und das Netz der Wahlbezirke für das „große“ Parlament? Nun,
das wird halt einfach nach rein mathematischen Gesichtspunkten (Sitze pro
Köpfe) darübergelegt. Das gibt dann eine gewisse Synthese aus reiner Mathematik
und regionaler Vertretung. Und wo das einfach nicht akzeptiert werden mag, und
wo es einfach einen „Sonderabgeordneten“ geben muß – dann gibt es den halt. Das
ist deshalb nicht so wichtig, weil die Parteien „ihren“ Abgeordneten ja gerne
auf’s Pferd helfen dürfen. Reiten müssen sie aber allein. Denn sie müssen sich
ja allen Menschen ihres Wahlkreises gegenüber direkt verantworten, nicht nur
gegenüber einem Parteitag.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im März 2013
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