Montag, 1. April 2013

Die innere Verfassung

Wie soll die innere Verfassung eines Staates aussehen, die sowohl Demokratie als auch Führung beinhaltet? Wie soll die innere Verfassung eines Staates aussehen, die selbstbestimmte Menschen als auch schnelle Reaktionsfähigkeit seiner Verwaltungsorgane kennt? Wie soll die innere Verfassung eines Staates aussehen, die die Mitsprache seiner Menschen als auch die zügige und natürlich preiswerte Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen, die im Verlaufe ihrer Entstehung eventuell noch korrigiert werden müßten (soll ja vorkommen),  integriert?

Die bürgerliche Lösung hat sich als untauglich erwiesen. Sie pendelte zwischen „Every-Bodies-Darling“ und „Basta“ mehr oder weniger uninspiriert hin und her. „Fertig“ wurde eigentlich kaum etwas. Die Ursache suchte man gern irgendwo zwischen staatlicher Inkompetenz und privatwirtschaftlicher Initiative, obwohl es eigentlich nur den Unterschied zwischen guten und schlechten Lösungen gibt.
Einmal anders skizziert, könnte das so aussehen:
Parlamentarismus und repräsentative Demokratie (aus Gründen der Praktikabilität) waren und sind zwar gute Lösungen, sie müssen aber weiter ausdifferenziert werden. Gleiches gilt für Parteien darin, die selbstverständlich Interessen­vertretungen sind (weniger weltanschaulich homogene Gruppierungen). Aber: Parteien sind nicht die politischen oder gesellschaftlichen Interessen eines Staates, sie bündeln sie höchstens, soweit es überhaupt einen ganz spezifischen Willen einer staatlichen Gemeinschaft gibt. „Volkes Wille“ wird schnell auch zu einer gelenkten oder leicht manipulierbaren Klamaukveranstaltung. Eine Volkspartei wird schnell zum Karnevalsverein.
Demokratie und Selbstverwaltung müssen dabei auch noch im schlanken unternehmerischen Staat etabliert werden, der nur mit und von seinem unternehmerischen Geschick, Mehrwert zu schaffen, lebt. Unternehmerisch heißt dabei: Leitideen voranbringen, auch ökonomische Neuausrichtingen, Großprojekte oder „Leuchtturmprojekte“ voranbringen,  also zu führen. Es heißt aber nicht, größter Arbeitgeber für „Staatsbürger“ zu sein, der nachfolgenden Generationen nur Pensions­lasten beschert; er leistet Fürsorge, aber er ist nicht Ersatzmutter; er stellt ein wichtiges Element der Heimat dar, aber er ist nicht Heimat.
Noch eimal zu den Parteien, die auch deswegen notwendig sind, damit Menschen sich zur Durchsetzung ihrer Interessen überhaupt zusammenschließen können. Die Stimme eines jeden zählt gleich, aber wenn man Mitstreiter findet, geht es halt leichter. Daß die Parteien dabei als Sammlung von Menschen auftreten, die ihre Leute bei Wahlen unterstützen, ist dabei völlig in Ordnung. Wichtig ist dafür zu sorgen, daß jeder Gewählte verantwortlich gemacht werden kann, nicht nur gegenüber „seiner“ Partei. Ein sogenanntes imperatives (Parteien-)Mandat ist sehr schädlich, denn es zementiert den Einfluß der Partei hinter dem Gewählten. Damit wird Demokratie ausgehöhlt: die Verantwortung des Gewählten, des Deputierten, gegenüber allen (seinen Wählern in seinem Wahlkreis) wird reduziert auf die Verantwortung gegenüber wenigen Parteitagsdelegierten.
Was zählt ist die Gewissensentscheidung, die vielgerühmte. Es zählt aber auch die direkte Verantwortung dafür. Und es zählt die Trennung von Amt und Mandat, allein schon wegen der Gewaltenteilung. Wer ein Ministeramt zum Beispiel bekleidet, der darf nicht aus Gründen der Absicherung, falls es schief geht, ein Mandat behalten.
Die direkte Verantwortung des Abgeordneten gegenüber allen Menschen seines Wahlkreises (Da kann man gerne auch eine Altersgrenze komplett weglassen, das macht die Sache spannender. Wie heißt es doch: „Kindermund spricht Herzensgrund“. Darauf darf man ruhig einmal hören!) kann durch eine Quartalsbewertung mit Quorum, aus Gründen der Vorbeugung gegen persönliche Abrechnungen, ins Werk gesetzt werden. Die Bewertung liefert Punkte für die Wieder­wählbarkeit oder im Extremfall für den „Rauswurf“. Wie heißt es so schön: fördern und fordern oder „den Leidensdruck erhöhen“.
Voraussetzung ist allerdings nicht nur das Interesse der Staatsmenschen. Da kann man auch nachhelfen: wird ein grundlegendes Beteiligungsquorum nicht erreicht, dann war die Sache halt umsonst und muß wiederholt werden. Voraussetzung ist aber auch die ständige und direkte Information eines jeden Staatsmenschen über alles beziehungsweise reichlich viel. Ja, Demokratie kostet Blut, Schweiß und Tränen. Vor allem Schweiß. Sie ist anstrengend.
Die direkte Information setzt weiterhin nicht nur so etwas voraus wie „Schnelles DSL bis ans und ins Bett“. Sie setzt auch eine strukturierte und verständliche Aufbereitung aller relevanten Daten voraus.
Zugegebenermaßen liegt hier auch eine große Stolperfalle: alle relevanten Daten. Wer selektiert hier und nach welchen Kriterien? Muß das mehr umfassen als die Information über den nächsten Briefkasten? Wer soll denn ohne Studium zum Beispiel durch die Darstellung der Steuereinnahmen und deren Verteilung noch durchblicken?
Nun, das Leben und speziell die Demokratie sind kein Ponyhof. Jeder einzelne muß sich schon auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen, wenn er sich die Daten (sehr umfassend) anschaut. Aber erstens kann man jemanden fragen und zweitens reicht der besagte Menschenverstand meistens sogar schon aus. So kompliziert ist zumindest das politische Universum auch wieder nicht.
Direkte Verantwortung und direkte Mitwirkung kann es auch bei großen Infrastrukturprojekten geben. Dies aber bitte schön nach Betroffenheit. Geht es alle etwas an, denn sollen auch alle mitwirken. Geht es nur eine Auswahl etwas an, dann sollte auch nur diese Auswahl mitwirken. Auch hier ist Voraussetzung Interesse (Quorum) und Information. Technisch läßt sich auch das über Bewertungen via Internet lösen. Und auch hier kann quartalsweise „begutachtet“ und über Änderungen entschieden werden. Allerdings kann so auch ein Projekt „eingestampft“ werden.
Letzteres ist ein sehr bedeutsamer Unterschied zum jetzigen bürgerlichen „Dasein“. Wenn etwas, und sei es nach fünf Jahren schwerster und teuerster Arbeit, sich als Unsinn herausstellt, dann muß es beendet werden. Das ist keine Frage von Schuld und Sühne. Es ist auch keine Frage von: „Das hätte man vorher wissen müssen. Jetzt müssen wir da durch“. Es ist eine ganz natürliche Erscheinung: die nennt man Lernen.
Ganz besonders ist in der direkten Mitwirkung noch ein Aspekt: die direkte Wahl der ganzen Regierung, komplett. Die Repräsentanten (das Parlament) haben sich ganz auf die Legislative zu konzentrieren. Sie dürfen gern die Regierung überwachen und auch Vorschläge für eine Ablösung machen. Darüber entscheiden sollten sie nicht. Denn auch die Regierung muß sich im festen Rhythmus für ihr Handeln recht­fertigen, vor allen. Sie darf sich gerne selbst intern umbesetzen und auch nach erster Installation „Ersatzmaß­nahmen“ ergreifen. Direkte Beteiligung ist nicht Gängelung. Die Regierung braucht einen Handlungsspielraum und einen gewissen Vertrauensvorschuß. Wenn der aber aufgebraucht ist, dann darf sie gehen, ohne daß dabei wichtige Gesetzesvorhaben, die einen längeren Vorlauf brauchen, dadurch gefährdet werden, daß das Parlament gleich mit geht.
Zum Abschluß noch einmal zum schlanken, unternehmerischen Staat zurück, dessen „Schlankheitscharakter“ auch für die Selbstorganisation der Staatsmenschen gilt. Gemeint ist die Selbstorganisation der Kommunen und Regionen. Die ist durchaus etwas anderes als das jetzige föderale System. Sie ist eine flexible Zusammenkunft von Menschen, die für sich einen landsmannschaftlichen oder kulturellen oder politischen oder wirtschaftlichen Hintergrund als gemeinsame Basis feststellen. Das augenblickliche föderale System hat viele historische Grundlagen, aber keine gewachsene Basis. Eine Basis, die die Menschen darin ganz allein für sich so postulieren würden.
Die Größe einer Selbstverwaltungseinheit hat sehrwohl etwas mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Lebensfähigkeit zu tun. So etwas kann sich aber im Laufe der Zeit ändern. Darauf muß man flexibel reagieren können. Die reine Betrachtung von Verwaltungskosten als Basis erzeugt nur Verwaltungseinheiten, aber keine lebendigen Strukturen, die von den Menschen aktiv getragen werden. Und wenn sich halt einmal „Kleinkleckersdorfianer“ zusammenschließen wollen, dann sollen sie es halt tun. Sie werden von allein merken, wann es Zeit ist, zu „fusionieren“.
Und das Netz der Wahlbezirke für das „große“ Parlament? Nun, das wird halt einfach nach rein mathematischen Gesichtspunkten (Sitze pro Köpfe) darübergelegt. Das gibt dann eine gewisse Synthese aus reiner Mathematik und regionaler Vertretung. Und wo das einfach nicht akzeptiert werden mag, und wo es einfach einen „Sonderabgeordneten“ geben muß – dann gibt es den halt. Das ist deshalb nicht so wichtig, weil die Parteien „ihren“ Abgeordneten ja gerne auf’s Pferd helfen dürfen. Reiten müssen sie aber allein. Denn sie müssen sich ja allen Menschen ihres Wahlkreises gegenüber direkt verantworten, nicht nur gegenüber einem Parteitag.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im März 2013

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