Mittwoch, 10. April 2013

Die Bedeutung des Eigentums


Eigentum, digitale Welt und Kreislaufwirtschaft

Aktuell wird eine, allerdings sehr diffuse Diskussion geführt, die auf folgendes hinausläuft: in Zukunft würde man Waren und Leistungen nicht mehr kaufen, sondern nur noch mieten. Insbesondere wäre das, quasi systemimmanent, im digitalen Handel so. Darüberhinaus wäre dies auch, und es wäre wünschenswert, im übrigen Warenverkehr so. Dort wäre es wichtig, um eine echte Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen, die einerseits Produkte konzipiert, die auf vollständige Wiederverwertung angelegt sind, und die andererseits vom Hersteller auch komplett zurückgenommen werden müßten, was dem wiederum den Vorteil günstigerer Rohstoff- oder Ausgangsmaterialbeschaffung ermöglichte.
Was den Kreislaufwirtschaftsaspekt betrifft, ist die Grundidee ja richtig, nämlich Produkte zu konzipieren, die ohne großen Aufwand in ihre stofflichen Ursprünge zurückzuführen wären. Insgesamt aber wird vernachlässigt, daß ein Kunde bei all diesen Überlegungen niemals ein Eigentumsrecht erwirbt. Er bleibt damit in ständiger Abhängigkeit. Er ist nicht in der Lage, das gekaufte Gut auch zu seinem Nutzen selbst weiterzuveräußern. Im Prinzip läuft das auf eine vollkommen getrennte Gesellschaft hinaus, in der es eine Klasse von Rechteinhabern und eine Klasse von Mietzahlern gibt.
Das erinnert mich doch sehr stark an die vielen Privatisierungsarien, die wir schon hinter uns gebracht haben. Die (politische) Zustimmung war immer so einzuholen: Ihr kriegt schön viel Geld dafür (müßt ja nicht ihr zurückzahlen) und ihr braucht euch um nichts mehr zu kümmern. Vor allem letzteres hat immer sofort gezogen. Genauso ködert man bequeme Kunden: Ihr braucht nur zu bezahlen, den Rest nehmen wir euch ab. Garantiert. Für immer. Versprochen.
Aus meiner Sicht ist dies, vielleicht etwas überspitzt gleichwohl richtig ausgedrückt, die Wiederbelebung des Feudalsystems, in dem diese Aufteilung schon einmal bestanden hat. Es will sich mir nicht erschließen, wie darin Leistungswille und Innovationsfähigkeit gedeihen sollen. Ebenso wenig kann ich erkennen, wie eine neue Klasse von Unfreien und Abhängigen eine Demokratie befördern soll. Sachlich zwingend ist der Weg dahin keineswegs vorgegeben, denn eine Kreislaufwirtschaft zum Beispiel läßt sich auch anders herstellen.
Sehr interessant ist, daß seitens des Bürgertums gar kein Widerspruch zu hören ist. Immerhin ginge es ja um den Eingriff in das Eigentumsrecht, dessen Erkämpfung vom Adel sich doch gerade das Bürgertum ans Revers heften will.
Vielleicht ist es da hilfreich, sich den Eigentumsgedanken noch einmal genauer anzusehen: Eigentum erwerben zu können, etwas sein Eigen nennen können, spornt erstens an und bedeutet zweitens, eine bessere Position seinem Gegenüber einnehmen zu können. Es sorgt für Augenhöhe im Geschäftsverkehr, es sorgt für Ansehen in der Gruppe. Eigentum hat hohen gesellschaftliche Stellenwert. Es hat gesellschaftspolitische und kulturelle Funktionen. Darüberhinaus lehrt Eigentum, Verantwortung zu tragen. Im übrigen ist dies unabhängig davon, ob das Eigentum selbst erlangt oder „nur“ geerbt wurde. Am verantwortungsvollen Umgang, am notwendigen verantwortungsvollen Umgang mit dem Eigentum ändert das nichts. Wenn man es verpraßt oder verwahrlosen läßt, dann wird es auch ganz schnell ehemaliges Eigentum.
In der bürgerlichen Sicht wird Eigentum allerdings zunehmend pervertiert: es wird zum Unterscheidungskriterium einer selbsternannten, neuen Herrenrasse, für die die Möglichkeit des Eigentumerwerbs durch andere zur lebensbedrohlichen Gefahr wird. Und die eingangs beschriebenen „Wege in die Vermietung“ würden dieser Herrenrasse ihren Erhalt sichern helfen.
Der Satz „Eigentum verpflichtet“ ist eine moralische Ermahnung und bezieht sich im wesentlichen auf die Problematik großer Vermögen und großer Besitzstände in einer Demokratie. Diese Problematik besteht ja durchaus, aber sie ist ein anderes Thema, ebenso wie die notwendige Beschränkung von Eigentumserwerb. Es ist selbstverständlich, daß niemand das Eigentum an Menschen erwerben kann. Ebenso selbstverständlich ist, daß Wasser niemals Privateigentum werden darf. Aber das ist eine Unterscheidung in privat und gesellschaftlich.
Diese Unterscheidung ist sinnvoll, notwendig und sicherlich auch einem Wandel im Laufe der Zeit unterworfen. Sie hat aber nichts mit der eigentlichen Bedeutung von Eigentum zu tun. Sie ist immer nur Ausdruck der Bestrebungen einiger, viele dominieren zu wollen. So ein Versuch  läßt sich zwar nicht verhindern, aber abwehren.
Abschließend noch eine Bemerkung zu der Urheberrechtsdebatte, gerade vor „digitalem Hintergrund“. Die technische Betrachtung verschleiert meines Erachtens nach den Blick auf das wesentliche. Eigentum und Nutzungsrecht werden darin erstens zusammengemischt (ist aber nicht weiter tragisch, da Rechte eben auch Eigentum sein können). Viel wichtiger ist mir, daß der Leistungsgedanke in den Hintergrund gerät.
Ich finde es ja völlig richtig, daß ein „Erfinder“ zeitlich befristet, zeitlich überschaubar Vorteile in Form des Patentschutzes genießt. Das ist seine Belohnung und die hat er verdient. Ich meine aber auch, daß der „Nutzungsschutz“ für einen Urheber geistiger Leistungen genauso gestaltet werden sollte. Und ich meine genauso: überschaubar zeitlich befristet. Die Betonung liegt auf überschauber und auf definiert befristet.
Es ist unerheblich, wie oft Patente und Rechte vererbt oder veräußert werden. Wichtig ist nur, daß sie erkennbar enden. Das zwingt zu neuer Leistung. Jedenfalls denjenigen, der es noch einmal wissen will. Wer mit der einen, der vergangenen Leistung genug hat, der darf sich auch gerne ausruhen. Er muß halt sehen, daß er mit dem befristet Verdienten auskommt.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im April 2013

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