Eigentum, digitale Welt und Kreislaufwirtschaft
Aktuell wird eine, allerdings sehr diffuse Diskussion
geführt, die auf folgendes hinausläuft: in Zukunft würde man Waren und
Leistungen nicht mehr kaufen, sondern nur noch mieten. Insbesondere wäre das,
quasi systemimmanent, im digitalen Handel so. Darüberhinaus wäre dies auch, und
es wäre wünschenswert, im übrigen Warenverkehr so. Dort wäre es wichtig, um
eine echte Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen, die einerseits Produkte
konzipiert, die auf vollständige Wiederverwertung angelegt sind, und die
andererseits vom Hersteller auch komplett zurückgenommen werden müßten, was dem
wiederum den Vorteil günstigerer Rohstoff- oder Ausgangsmaterialbeschaffung
ermöglichte.
Was den Kreislaufwirtschaftsaspekt betrifft, ist die
Grundidee ja richtig, nämlich Produkte zu konzipieren, die ohne großen Aufwand
in ihre stofflichen Ursprünge zurückzuführen wären. Insgesamt aber wird
vernachlässigt, daß ein Kunde bei all diesen Überlegungen niemals ein
Eigentumsrecht erwirbt. Er bleibt damit in ständiger Abhängigkeit. Er ist nicht
in der Lage, das gekaufte Gut auch zu seinem Nutzen selbst weiterzuveräußern.
Im Prinzip läuft das auf eine vollkommen getrennte Gesellschaft hinaus, in der
es eine Klasse von Rechteinhabern und eine Klasse von Mietzahlern gibt.
Das erinnert mich doch sehr stark an die vielen
Privatisierungsarien, die wir schon hinter uns gebracht haben. Die (politische)
Zustimmung war immer so einzuholen: Ihr kriegt schön viel Geld dafür (müßt ja
nicht ihr zurückzahlen) und ihr braucht euch um nichts mehr zu kümmern. Vor
allem letzteres hat immer sofort gezogen. Genauso ködert man bequeme Kunden:
Ihr braucht nur zu bezahlen, den Rest nehmen wir euch ab. Garantiert. Für
immer. Versprochen.
Aus meiner Sicht ist dies, vielleicht etwas überspitzt
gleichwohl richtig ausgedrückt, die Wiederbelebung des Feudalsystems, in dem
diese Aufteilung schon einmal bestanden hat. Es will sich mir nicht
erschließen, wie darin Leistungswille und Innovationsfähigkeit gedeihen sollen.
Ebenso wenig kann ich erkennen, wie eine neue Klasse von Unfreien und
Abhängigen eine Demokratie befördern soll. Sachlich zwingend ist der Weg dahin
keineswegs vorgegeben, denn eine Kreislaufwirtschaft zum Beispiel läßt sich
auch anders herstellen.
Sehr interessant ist, daß seitens des Bürgertums gar kein
Widerspruch zu hören ist. Immerhin ginge es ja um den Eingriff in das
Eigentumsrecht, dessen Erkämpfung vom Adel sich doch gerade das Bürgertum ans
Revers heften will.
Vielleicht ist es da hilfreich, sich den Eigentumsgedanken
noch einmal genauer anzusehen: Eigentum erwerben zu können, etwas sein Eigen
nennen können, spornt erstens an und bedeutet zweitens, eine bessere Position
seinem Gegenüber einnehmen zu können. Es sorgt für Augenhöhe im Geschäftsverkehr,
es sorgt für Ansehen in der Gruppe. Eigentum hat hohen gesellschaftliche
Stellenwert. Es hat gesellschaftspolitische und kulturelle Funktionen. Darüberhinaus
lehrt Eigentum, Verantwortung zu tragen. Im übrigen ist dies unabhängig davon,
ob das Eigentum selbst erlangt oder „nur“ geerbt wurde. Am verantwortungsvollen
Umgang, am notwendigen verantwortungsvollen Umgang mit dem Eigentum ändert das
nichts. Wenn man es verpraßt oder verwahrlosen läßt, dann wird es auch ganz
schnell ehemaliges Eigentum.
In der bürgerlichen Sicht wird Eigentum allerdings zunehmend
pervertiert: es wird zum Unterscheidungskriterium einer selbsternannten, neuen
Herrenrasse, für die die Möglichkeit des Eigentumerwerbs durch andere zur
lebensbedrohlichen Gefahr wird. Und die eingangs beschriebenen „Wege in die
Vermietung“ würden dieser Herrenrasse ihren Erhalt sichern helfen.
Der Satz „Eigentum verpflichtet“ ist eine moralische
Ermahnung und bezieht sich im wesentlichen auf die Problematik großer Vermögen
und großer Besitzstände in einer Demokratie. Diese Problematik besteht ja
durchaus, aber sie ist ein anderes Thema, ebenso wie die notwendige Beschränkung
von Eigentumserwerb. Es ist selbstverständlich, daß niemand das Eigentum an Menschen
erwerben kann. Ebenso selbstverständlich ist, daß Wasser niemals Privateigentum
werden darf. Aber das ist eine Unterscheidung in privat und gesellschaftlich.
Diese Unterscheidung ist sinnvoll, notwendig und sicherlich
auch einem Wandel im Laufe der Zeit unterworfen. Sie hat aber nichts mit der
eigentlichen Bedeutung von Eigentum zu tun. Sie ist immer nur Ausdruck der Bestrebungen
einiger, viele dominieren zu wollen. So ein Versuch läßt sich zwar nicht verhindern, aber
abwehren.
Abschließend noch eine Bemerkung zu der
Urheberrechtsdebatte, gerade vor „digitalem Hintergrund“. Die technische
Betrachtung verschleiert meines Erachtens nach den Blick auf das wesentliche.
Eigentum und Nutzungsrecht werden darin erstens zusammengemischt (ist aber
nicht weiter tragisch, da Rechte eben auch Eigentum sein können). Viel
wichtiger ist mir, daß der Leistungsgedanke in den Hintergrund gerät.
Ich finde es ja völlig richtig, daß ein „Erfinder“ zeitlich
befristet, zeitlich überschaubar Vorteile in Form des Patentschutzes genießt.
Das ist seine Belohnung und die hat er verdient. Ich meine aber auch, daß der
„Nutzungsschutz“ für einen Urheber geistiger Leistungen genauso gestaltet
werden sollte. Und ich meine genauso: überschaubar zeitlich befristet. Die Betonung
liegt auf überschauber und auf definiert befristet.
Es ist unerheblich, wie oft Patente und Rechte vererbt oder
veräußert werden. Wichtig ist nur, daß sie erkennbar enden. Das zwingt zu neuer
Leistung. Jedenfalls denjenigen, der es noch einmal wissen will. Wer mit der
einen, der vergangenen Leistung genug hat, der darf sich auch gerne ausruhen.
Er muß halt sehen, daß er mit dem befristet Verdienten auskommt.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im April 2013
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